HIER LEUCHTEN NICHT NUR DIE KORALLEN [PREMIUM]

Der Pilot heißt Lou und hat Flip-Flops an. Direkt hinter ihm platziert, ist man Teil des Cockpits und erleichtert, dass er kurz vor dem Start dann doch noch die Fenster schließt. „Das erste Mal?“, fragt er belustigt und streift seine Schuhe ab. Das Wasserflugzeug ist sein Wohnzimmer, wie beruhigend.

So entspannt verläuft dann auch der knapp vierzig Minuten lange Flug von Male zum Baa Atoll. Behäbig und laut brummend lassen wir die Hauptstadt der Malediven hinter uns, ein unlösbarer Knoten aus zu wenigen Gebäuden für zu viele Menschen. Male ist Zentrum von Verwaltung und Logistik, laut, schmutzig, arm, real.

Wenn Male die Wirklichkeit ist, dann sind die Atolle der Traum. Deshalb kommt man hierher, für die weißen Perlen im türkisfarbenen Wasser, einsame, endlose Strände und tiefgrünen Dschungel erblickt man aus der Luft, nur 200 der rund 2000 Inselgruppen sind besiedelt, etliche davon ausschließlich von Hotelresorts. Eines davon ist das Finolhu.

Seit 2019 ist es im Besitz der Hamburger Seaside-Gruppe und somit das erste Malediven-Luxusresort in deutscher Hand. Das Baa Atoll, in dem es liegt, ist ein von der Unesco geschütztes Biosphärenreservat, die Lage mit Lagune und Riff direkt vor der Villentür einzigartig.

Enorme Sandbank

Dennoch muss man fragen, ein wenig frech nach dem ersten Glas Champagner am Abend: Warum sollte man ausgerechnet hierher kommen und nicht in eines der rund 170 anderen Fünfsternresorts auf den Malediven? „Es ist die Sandbank“, sagt General Manager Marc Reader, ein strahlend lustiger Australier, der seit seinen Anfängen an der Gold Coast beruflich überall dort zu finden ist, „wo es weißen Sandstrand gibt“.

Den gibt es hier in der pudrigen De-luxe-Ausführung, samtig, fein, strahlend weiß – und viel davon. Es gibt kein Resort mit größerer Sandbank als das Finolhu, gute 30 Minuten kann man in eine Richtung gehen, großteils in Einsamkeit, begleitet nur von fliegenden Fischen und den Booten, die für weniger Aktive einen Shuttledienst anbieten und Aktivere zum Tiefseetauchen bringen. Über 3,3 Kilometer und vier Inseln erstreckt sich das Resort, dessen Namen übrigens tatsächlich „Sandbank“ in der Landessprache bedeutet.

Zweites großes Thema ist der behutsame Umgang mit Ressourcen und Naturschätzen. Denn wenn das Riff nicht mehr leuchtet, bringt kein Luxus der Welt mehr Gäste hierher. Die drastischen Auswirkungen der Erderwärmung, hier bemerkt man sie zuerst. Bereits ein Anstieg der Meerestemperatur um nur ein Grad bringt das sensible marine Gleichgewicht aus der Balance. 2015 und 2016 gingen rund 80 Prozent des regionalen Korallenriffs verloren, erzählt Meeresbiologin Ally Cooper.

Und das Wasser erwärmt sich weiter. Und der Meeresspiegel steigt. Aber nicht nur die Temperaturen stressen die Korallen, auch die Menschen selbst. Schnorchelnde und Tauchende wirbeln Sand auf, was den Lichteinfall beeinträchtigt, sie brechen Korallen ab, und sie hinterlassen einen tödlichen Film aus Sonnenschutzmitteln. Die Korallen werden bleich und sterben.

Die 28-jährige Ally aus dem englischen Newcastle ist für das Projekt „Coral of Opportunity“ des Finolhu-Resorts zuständig. Abgebrochene und verletzte Korallen werden gesammelt und neu eingepflanzt. Dafür werden sie Stück für Stück auf eine mit Sand umkleidete Stahlform gebunden und ins Wasser gesetzt. Nach rund vier Wochen wachsen sie wieder.

Achtung, Triggerfisch

Fast ist man geneigt, das Schnorcheln zu lassen, aber Edi, der balinesische Tauchlehrer, nimmt einem das schlechte Gewissen. Wenn wir befolgen, was er uns sagt, nichts angreifen und keine Lebewesen stören, sie nur bewundern, dann könne man der Sehnsucht gern nachgehen. Edi kennt jeden Zentimeter des Hausriffs, das unmittelbar vor den Wasservillen liegt – diese, aufgefädelt auf einem kilometerlangen Steg, sehen entweder Richtung Lagune oder in den ungestümen Indischen Ozean.

Ab ins Wasser, mit Respekt vor der doch kräftigen Strömung, und noch mehr Respekt vor den Fischschwärmen, die in sagenhafter Bunt- und Verschiedenheit um uns und mit uns schwimmen, dabei sind wir noch nicht weiter als 20 Meter von unserem Zuhause weggepaddelt. Dort liegt ein Triggerfisch, warnt Edi mit einer Handbewegung, bitte in großem Bogen um sein Gelege herum. Der Fisch gehört zur Familie der Kugelfische und verteidigt sein Nest in der Brutsaison durchaus mit einem kräftigen Biss.

Wir schweben verzaubert weiter, als man neben dem Riff abrupt in endlose schwarzblaue Tiefe zu stürzen vermeint, dort wollen wir nichts verloren haben, so klein und albern fühlt man sich plötzlich in solchen Dimensionen. Als dann auch noch ein Hai auftaucht („eh nur ein Baby“, sagt Edi, aber da sind wir schon auf und davon) und ein paar Drachenrochen, ist es fürs Erste genug. Man lässt sich dann abends gern von den Tauchabenteuern der Mutigeren erzählen.

Müll sammeln als Challenge

So nahe man der Natur hier kommen kann, möglich macht das unmittelbare Erleben ausgerechnet die Hotelwelt, die Stück für Stück auf einen unberührten Streifen Sand gebaut worden ist. Das Bemühen um Nachhaltigkeit ist aber deutlich spürbar. Es gibt etwa ein eigenes Füllsystem für Wasser, damit Müll vermieden wird. Den Gast erwarten Glasflaschen mit Wasser, die täglich frisch befüllt werden. Plastik ist neben dem Klimawandel die zweite große Bedrohung für das Paradies.

Die Regierung hat zwar ein Einfuhrverbot für Einweg-Plastikflaschen beschlossen, aber bis alle Übergangsfristen auslaufen, wird es dauern. Der Müll, der an die Strände schwappt, ist bedrückend vielfältig: von der Shampooflasche bis zum Strohhalm alles. Bei einem kurzen Besuch auf dem bewohnten Nachbaratoll Goidhoo wird ein Projekt der lokalen Schule vorgestellt. Für jeden Schüler gilt die Challenge, mindestens 3000 Flaschen im Jahr aus der Natur zu klauben. Es wird nicht schwierig sein, dieses Ziel auch zu erreichen.

Vor allem für europäische Touristen wird Umweltschutz immer stärker zum Thema, erzählt Hotelchef Marc: Und genau jenes Segment will man vermehrt anziehen. Russen und Asiaten machen derzeit einen großen Teil des Publikums aus. Nur 13 Prozent besuchen ein Resort ein zweites Mal, sind „Returner“. Denn die Malediven sind ein typisches „Bucket-List-Ziel“, eine Destination, die man einmal im Leben bereist haben will und dann abhakt. Es sei ein Klischee, sagt Marc, aber Europäer blieben einem Ort lieber treu: Wenn alle Erwartungen erfüllt wurden, warum nicht wiederkommen?

Darum, dass alle Wünsche erfüllt werden, kümmern sich hier 386 Mitarbeiter. Sie wissen von allen Gästen, ob es Unverträglichkeiten gibt oder was sie gern unternehmen würden – ob nun Yoga, Meditation, Wassersport, Tennis, Bootsausflüge oder Wellness im Spa-Bereich. Ein Verwöhnprogramm, in dem nichts fehlen darf, leicht, unangestrengt, zum Loslassen ermunternd. Mindestens die Hälfte des Personals müssen übrigens Einheimische sein.

Die Regeln der Malediven für die Hotelinseln sind klar: Es muss Personalwohnungen geben, Restaurants, eine eigene Moschee, im Rückzugsbereich der Angestellten gelten islamische Regeln. Sonst sind die Hotels ihre eigene Insel, eine freie Zone ohne Verbote, sei es für Alkohol, nackte Haut oder Homosexualität.

Sogar die Zeit auf den Inseln ist eine andere.

Um mehr vom Tag zu haben, und vor allem um den Sonnenuntergang mit einer Sunset-Cruise oder einem Sundowner ausführlich zu genießen, wird die Uhr um eine Stunde, auf manchen Inseln gar um zwei vorgestellt. Diese inoffizielle Zeitzone hat einen ganz offiziellen Namen: „Maldives Island-Time“. Doch wenn es wirklich dunkel wird, ist noch viel Schöneres zu entdecken: Leuchtendes Plankton säumt den Strand, er glitzert und schimmert, beglückt wandert man zurück in seine Villa. Die Wellen plätschern, in der Ferne rumpelt ein Buggy über die Holzplanken. Der Luxus hier ist leise.

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