MIT KüNSTLICHER HAUT WIEDER SPüREN

Unser größtes Organ – die Haut – lässt uns fühlen. Sie nimmt im Sommer etwa das kalte Meerwasser wahr, das unsere nackten Zehen umschmeichelt oder die feste Umarmung eines geliebten Menschen, die den gesamten Körper erwärmt. Sinneseindrücke wie Druck, Temperatur und Feuchtigkeit meldet die Haut dem Gehirn in Form von elektrischen Signalen.

Diese wandern über die Nervenbahnen in seine Richtung und werden dort bewertet. Auf diese Weise erhalten wir Informationen über uns und unsere Umwelt und können mit ihr interagieren. Daneben reguliert das Sinnesorgan auch unsere Körpertemperatur.

Ist die Haut beschädigt, etwa durch Hautverbrennungen, kann der Spürsinn beeinträchtigt sein. Schwere Verbrennungen können zu einem Absterben der Hautrezeptoren und einen vollständigen Gefühlsverlust führen. Die Lebensqualität von Brandopfern kann dadurch erheblich reduziert sein. 

Dünner als echte Haut

Mithilfe einer Innovation könnten Brandopfer ihren Spürsinn wiedererlangen. Die Forscherin Anna Maria Coclite vom Institut für Festkörperphysik der Technischen Universität Graz hat eine intelligente künstliche Membran entwickelt, die der menschlichen Haut sehr nahekommt und mit 0,006 Millimetern sogar viel dünner ist. Zum Vergleich: Menschliche Haut ist je nach Körperstelle 1 bis 2 Millimeter dick.

„Die Smartskin besteht größtenteils aus Polymeren und einer sehr dünnen Schicht Zinkoxid“, erklärt Coclite der futurezone. Ein integrierter Sensor misst Druck, Temperatur und Feuchtigkeit und wandelt diese 3 Stimuli in elektronische Signale um. Auf diese Weise könnten Brandopfer wieder fühlen.

Zwar gibt es am Markt bereits elektronische Hautmaterialien, die Druck und Temperatur wahrnehmen können – die Smartskin wäre aber das erste, das zusätzlich auch die Feuchtigkeit misst. Bei 2.000 einzelnen Sensoren pro Quadratmillimeter ist die intelligente Haut feinfühliger als eine menschliche Fingerspitze.

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Haut als Pflaster

Laut Coclite könnten die Sensoren auf eine Art Pflaster oder temporäre Tätowierung eingesetzt werden, die dann auf den entsprechenden Körperteil des Patient*innen angebracht wird. Sobald die Smartskin marktreif ist, könne sie in ihrer Größe je nach Bedarf beliebig groß ausfallen.   

Neben Brandopfern könnten unter anderem auch Menschen mit einer Amputation von der künstlichen Schicht profitieren. Sie kann für intelligente Prothesen, die mit den Nervenenden der Träger*innen verbunden sind, zum Einsatz kommen. „Die Smartskin würde lediglich die vorhandenen Prothesen wie ein Handschuh bedecken. Da transparente Elektroden verwendet werden können, ändert sich das Aussehen der darunter liegenden Prothesen nicht“, betont die Forscherin.

Die künstliche Haut könnte den Prothesen-Träger*innen auf diese Weise sensorische Informationen über Druck, Temperatur und Feuchtigkeit liefern. So kann die betroffene Person beispielsweise einen Kaffeebecher greifen und zum Mund führen. Da die mit der Smartskin bedeckte Prothese dann aber auch die Temperatur wahrnehmen würde, wüsste der Träger oder die Trägerin, dass er noch warten muss, bis er den heißen Kaffee trinken kann.

Smarte Textilien

Die künstliche Haut könnte daneben auch in der ästhetischen Chirurgie oder in der Robotik – etwa für Roboter, die ihre Umwelt besser wahrnehmen können – zum Einsatz kommen. Möglich sei zudem eine Anwendung für intelligente Textilien. Laut der Wissenschafterin könnte sie die kontinuierliche Überwachung lebenswichtiger Parameter ermöglichen. Daten über Temperatur, Feuchtigkeit und Druck könnten dabei über Bluetooth an eine Smartphone-App übertragen werden, welche die Sinneseindrücke protokollieren und darstellen kann. 

Aktuell befindet sich die Innovation auf dem Weg zur Kommerzialisierung. Das Projekt hat laut Coclite unlängst eine Finanzierung erhalten. Die Forscherin will mit der Förderung des European Research Council einen wichtigen Schritt zur Markteinführung machen und die drahtlose Verbindung des Smartskin-Prototypen zu einem Echtzeit-Überwachungssystem entwickeln. 

Stabilitätstest

Bis dahin muss unter anderem noch die Langlebigkeit des Materials geprüft werden. „Wir testen in diesen Monaten die Stabilität der Smartskin. Wir wissen, dass die Materialien jahrelang stabil sind. Für das zusammengebaute System ist möglicherweise aber eine Schutzschicht erforderlich“, so die Wissenschafterin. Neben den Stabilitätstests werden auch Standardisierungstests durchgeführt. 

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