DATING-SHOWS: WIE KAM DIE LIEBE INS FERNSEHEN? [PREMIUM]

Man könnte annehmen in Zeiten, in denen Single-Haushalte konstant zunehmen und sich die Suche nach einer Partnerschaft in der Überauswahl auf Dating-Apps völlig erschöpft, hat das Reality-TV-Format Dating-Show ausgedient. Doch dem ist nicht so.

TV-Serien, in denen Männer im Anzug Rosen verteilen, Paare im Whirlpool wild schmusen, und Menschen beschließen, einander zu heiraten, ohne einander gesehen zu haben, erfreuen sich weiterhin großer Beliebtheit. Sie sorgen für Quote und Umsatz und bescheren Teilnehmenden zwar meist nicht die große Liebe, aber doch kurzzeitigen Fernsehrum und Follower auf Social Media.

Vielfältiger als je zuvor

Mittlerweile wählen längst nicht nur mehr Männer eine geeignete Partnerin. Eine Vielzahl an lockeren Dating-Formaten sind nicht mehr auf Hochzeit, Ehe und Familiengründung ausgelegt: In „Love Island“ oder „Too Hot to Handle“ wird hauptsächlich auf tropischen Inseln und im Bikini gedatet, es geht weniger um Verlobungsringe und Dinner-Dates als um sexuelle Anziehung und Tequila-Shots. Längst werden wie in „Princess Charming“ auch queere Menschen auf die Suche nach der Liebe geschickt und in Netflix-Produktionen wie „Indian Matchmaking“ oder „Jewish Matchmaking“ wird auch Heirats- und Datingkulturen, abseits der westlichen, Raum gegeben.

Nischenangebote wie „Bauer sucht Frau“ und Ähnliches grenzen an Sozial-Voyeurismus. Konzepte wie der „Treue-Test“ haben ihren Weg ins Fernsehen gefunden, sei es auf „Temptation Island“ oder in die Netflix-Serie „The Ultimatum: Marry or Move on“. Hier werden mehrere Paare, die unentschlossen sind, ob sie heiraten sollen oder nicht, neu zusammengewürfelt, um so eine Entscheidung herbeizuführen.

Freud hätte an der Vielfalt heutiger Dating-Formate seine Freude: Welche Wünsche auch immer das moderne Fernsehpublikum auf die Dating-Show ihrer Wahl projizieren möchte – das Märchen vom perfekten Prinzen, die Lust an Promiskuität oder die (unerwünschte) Auseinandersetzung mit Betrug und Verrat in der Beziehung – kein Bedürfnis bleibt unbefriedigt. Gleichzeitig bietet nichts so sehr Spielraum, sich seiner eigenen Werte bewusst zu werden, wie anderen beim (schlecht) Wählen, beim Fehler machen oder Reüssieren zuzuschauen. Wer in Klatschblättern und auf Wikipedia nachliest, was aus den im Fernsehen verkuppelten Paaren geworden ist, muss jedenfalls eingestehen, die ganz große Liebe haben die wenigsten im Fernsehen gefunden.

„The Bachelor“ - das ultimative Dating-Format

Bestes Beispiel dafür ist die Teilnehmerliste von „The Bachelor“, ein Format des US-amerikanischen Fernsehsenders ABC, dessen 27. Staffel im März dieses Jahres endete, und das auf RTL mit der immerhin 13. Staffel im Frühjahr 2023 auch ein deutschsprachiges Langzeit-Äquivalent gefunden hat.

Dass in dem Format großteils weiße Frauen und Männer aufeinandertreffen, die nicht nur den gängigen Schönheitsidealen entsprechen, sondern sich auch charakterlich als „husband“ und „wife-material“ beweisen müssen, versteht sich von selbst. Der überwiegende Anteil an Kindergärtnerinnen, Krankenschwestern und Lehrerinnen, die um die Zuneigung von Sales Executives, Managern oder dann und wann auch ehemaligen Profi-Sportlern, kämpfen, brachte der Show für fehlende Diversität große Kritik ein. Auch rassistische Kommentare von Teilnehmenden sorgten immer wieder für Aufregung.

 

„Herzblatt“ und „Dating Game“ 

Doch wie kam die Liebe eigentlich ins Fernsehen? Was wie ein besonders lukrativer Zweig des in den 1990er- und 2000er-Jahren aufkommenden Reality-TVs wirkt, ist fast so alt wie die Liebe selbst. Oder zumindest jene Version der Liebe, in der aktive und selbstbestimmte Partnerwahl, das Element, das in Dating Shows zelebriert und inszeniert wird, die größere Rolle spielt. Die Dating-Show ist älter als das Medium, über das sie heute konsumiert wird – 1943 wurde in den USA ein Gaming-Format im Radio übertragen, bei dem sich je zwei Soldaten um eine Frau bemühten. Ohne die Kandidaten sehen zu können, wurde ein Gewinner gewählt, der dann einen Abend mit der Auserwählten verbringen durfte.

Die Sendung fand Anklang und so schaffte es „G.I. Blind Date“ 1949 auch ins Fernsehen und wurde 1965 vom Produzenten Chuck Berry zu „Dating Game“ weiterentwickelt, ein weltweit exportiertes Format, auf dem schließlich auch die deutsche Kultproduktion „Herzblatt“ beruhte. Von der ARD erstmals 1987 ausgestrahlt, sollte es übrigens bis 2003 dauern, dass auch bei „Herzblatt“ erstmals ein Mann aus drei Männern einen potenziellen Partner wählen konnte. Eine aktuelle Wiederaufnahme der Show unter dem Originaltitel „Dating Game“ gab es diesen Februar auf Sat 1 zu sehen - moderiert wie zu früheren Zeiten von Jörg Pilawa.

Anders als bei Partnervermittlungsformaten, die es, analog zu den Annoncen der Zeitung auch im Fernsehen und Radio immer wieder gab, dreht sich bei Dating-Shows alles um den Unterhaltungsfaktor, den die Suche nach dem oder der Richtigen auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer bietet. So waren auch bei Herzblatt die Antworten redaktionell vorgegeben und wenig authentisch – auch wenn sie in Einzelfällen sogar zu so etwas wie lebenslanger Bekanntheit verhalfen. Auch ehemalige Teilnehmende des US-Formats „The Bachelor“ kritisierten die Show wegen fehlender Authentizität, ganze Handlungsstränge seien rein durch Schnitt und Produktion erzeugt worden.

 

Die kürzlich international erfolgreiche Netflix-Produktion „Love is Blind“ orientiert sich übrigens ebenfalls an der Ursprungsidee der Dating-Show. Die Teilnehmenden daten sich „blind“, also ohne einander zu sehen, in Kabinen. Ob der oder die Auserwählte auch optisch den Vorstellungen entspricht, wird erst aufgelöst, nachdem man sich zur Heirat entschlossen hat  - die freilich, welch Überraschung, nur in den allerwenigsten Fällen tatsächlich stattfindet. Wen an diesem Format so großen Gefallen findet, dass nicht nur das Zuschauen reizvoll wirkt, der hat Glück. 2024 soll eine Version für den deutschen Markt erscheinen, dafür werden aktuell Teilnehmerinnen und Teilnehmer gecastet.

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