BOCK AUF LOCKEN: DER DAUERWELLEN-TREND BEI JUNGEN MäNNER

Männlichkeit neu definiert

Bock auf Locken: Der Dauerwellen-Trend bei jungen Männer

In einer Zeit, in der Individualität und Selbstausdruck im Vordergrund stehen, greifen junge Männer zur Dauerwelle. Dieser Trend ist aber mehr als nur eine Modeerscheinung.

Meinerzhagen – Die haben doch was machen lassen oder ist das Natur? Das fragt man sich neuerdings bei jungen Männern, die einen wilden Lockenkopf haben. Und ja, sie haben was machen lassen, zumindest die meisten: eine Dauerwelle. Die ist seit neuestem nicht mehr die klassische Oma-Frisur, sondern der Trend unter den Jüngeren schlechthin. Die Brüder Phil und Marlon Schmidt aus Valbert machen bei dem Trend mit. Die Seiten tragen sie kurz, das Deckhaar lang und lockig – dafür saßen sie rund anderthalb Stunden beim Friseur und geben zu, so lange noch nie im Salon verbracht zu haben.

Insgesamt ist die Rückkehr der Dauerwelle bei jungen Männern mehr als nur ein vorübergehender Modetrend. Fachleute sagen, sie symbolisiert eine Veränderung in den Vorstellungen von Männlichkeit und Schönheit, eine Anerkennung der Vielfalt und Kreativität in der heutigen Gesellschaft. Durch die Wahl einer Dauerwelle zeigten junge Männer nicht nur ihren Stil, sondern auch ihre Bereitschaft, neue Wege zu gehen und die Grenzen dessen, was als „typisch männlich“ betrachtet wird, zu erweitern.

Da reiht sich ein weiterer Trend, den Fahri Demiraslan, Inhaber des Salons Kings of Hair, festgestellt hat, gut ein. Demnach wollen seine jungen männlichen Kunden jetzt vor allem eines: Spitzen schneiden. Denn die Haare tragen sie immer mehr gerne lang und zum Zopf. Wie eine Umfrage unserer Redaktion bei ansässigen Friseursalons ergeben hat, haben die meisten in Meinerzhagen derzeit Bock auf Locken.

Aber man muss Glück haben, denn schon längst haben nicht mehr alle Salons die nötigen Wickler für die Dauerwelle, wie Pietro Trisolini vom Salon Figaro weiß. Der Grund ist schnell erklärt: Sie macht kaum noch jemand. Was in den 1980er-Jahren fast jede Frau hatte, ist heute nicht mehr gefragt. „Was man früher an Dauerwellen gemacht hat, macht man heute an Färbungen“, sagt der 59-Jährige mit Blick auf seine rund 40 Jahre als Friseur in der Stadt. Aber auch er zauberte jungen Männern Locken. Einige waren allerdings zu jung.

Erlaubt ist eine Dauerwelle erst ab einem Alter von 16 Jahren. Seit dem 1. September 2011 sind chemische Behandlungen wie Dauerwellen, Haarfärbungen mit Oxidationshaarfärbemitteln, aber auch anderen Haarfarben für Jugendliche unter 16 Jahren aufgrund der Kosmetik-Verordnung untersagt. Im Oktober 2011 empfahl der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks per Rundschreiben, keine Haarfärbemittel bei Jugendlichen unter 16 Jahren anzuwenden. Damit reagierte der Verband auf eine bereits seit 2009 bestehende EU-Richtlinie. Diese war in Kraft getreten, nachdem in Schottland ein 16-jähriges Mädchen an einer von einem Haarfärbemittel hervorgerufenen allergischen Reaktion gestorben war.

In den meisten Salons in Meinerzhagen wird sich auch strikt daran gehalten, einige Salons machen aber Ausnahmen, wenn es eine schriftliche Erlaubnis der Eltern gibt. Die sind jedoch gar nicht erlaubt. Mit einem Auszug aus dem Gesetz hat Judith Müller deshalb schon einige zu junge Kunden vertrösten müssen – sowohl für eine Dauerwelle als auch für Färbungen.

In der Drogerie können Haarfärbemittel allerdings problemlos gekauft werden. Hier sieht Judith Müller die Eltern in der Pflicht, aber die Realität zeige, dass das Gesetz entweder nicht bekannt oder nicht ernst genommen wird. Dabei können gerade bei unsachgemäßen Anwendungen allergische Reaktionen ausgelöst werden, wie der Friseurverband warnt.

Aber die Jugendlichen „sind sehr experimentierfreudig“, sagt Pietro Trisolini. „Wenn ein Fußballspieler die Frisur hat, wollen sie die auch.“ TikTok hat Judith Müller auch im Verdacht für diesen Trend. Denn: „Ich mache nicht mehr nur der Omi von nebenan die Dauerwelle, auch jungen Männern.“ Dabei bleibt die Dauerwelle, wie es der Name schon verrät, dauerhaft. Die Haare werden aufgewickelt und dann chemisch so behandelt, dass die Haarbrücken aufbrechen. In einem nächsten Schritt werden die Haarbrücken wieder geschlossen und nehmen die Form der Wickler an.

Wer keine Locken mehr will, muss wohl oder übel zur Schere greifen oder sie rauswachsen lassen. Ähnlich wie bei einer Färbung wäre der Ansatz aber wieder natur pur – also glatt. Bei Männern ist das weniger dramatisch, weil sie ohnehin meist kürzere Haare tragen und mitunter den Lockenkopf auch kurzerhand wieder abrasieren. Frauen rät Judith Müller ohnehin nicht bei jeder Länge zu einer Dauerwelle. Und wenn, müssen sie sich ganz sicher sein. Andrea Köllenbach ist sich zu 100 Prozent sicher. „Ich mag lieber Locken“, sagt die 60-Jährige. Sie kommt regelmäßig mit ihrem etwa schulterlangen Haar zum Struwwelpeter – sieht aber am Ende nicht wie einer aus, sondern so als hätte sie Naturlocken. Das liegt an der Technik und den großen Wicklern, in diesem Fall Papilloten. Ihre Partnerin hat Naturlocken und am liebsten hätte sie auch eine Naturmähne. Weil sich Farbe und Dauerwelle nicht gut miteinander vertragen, stand die Meinerzhagenerin jetzt, wo das Haar grau wird , vor einer Entscheidung. Aber für sie war klar, sie steht zum Grau, „das ist doch was ganz Natürliches“.

Der Trend gehe grundsätzlich wieder in diese Richtung, was Judith Müller, die kürzlich ihren Meistertitel erlangte, sehr freut. Sie selbst hat auch Locken und weiß, dass sehr viele Frauen und Männer eigentlich keine glatten Haare haben – sie wissen es nur oft nicht. Ein Indiz für welliges oder lockiges Haar sei etwa, dass das Haar krauselig wird, wenn es regnet oder die Luftfeuchtigkeit hoch ist. Dann sollte man den Friseursalons des Vertrauens aufsuchen. Denn: Locken brauchen eine komplett andere Pflege und ein anderes Styling als glatte Haare. Und: Locken zu tragen, wenn man sie hat, sei durchaus gesünder für die Haarstruktur. Vielleicht, weil glattes Haar kein Trend mehr ist, vielleicht weil der eigentlich Trend auch immer mehr „Natürlichkeit“ wird, ließen sich immer mehr auf ihre Haare ein.

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